Als Bürger- und Geschichtsverein Reichelsdorfer Keller e.V. haben wir einen der wenigen Info-Abende zur Bundestagswahl 2025 im Nürnberger Süden veranstaltet. Gefreut haben wir uns, dass wir gleich vier der Direktkandidaten für den Wahlkreis Nürnberg-Süd/Schwabach begrüßen durften:  Sven Dziajlo / Volt, Thomas Estrada / Freie Wähler, Michael Frieser / CSU und Thomas Grämmer / SPD (in alphabetischer Reihenfolge). Zwar waren keine Frauen, wohl aber verschiedene Positionen und Perspektiven sowie eine Mischung von jungen und erfahrenen Politikern vertreten.

 

Sven Dziajlo / Volt                                                                                               

Sven Dziajlo, Flugtechniker und Co-Pilot bei der Polizeihubschrauberstaffel Bayern in Roth, der jüngste der Kandidaten und mit lila Sweatshirt und weißer VOLT-Aufschrift sofort erkennbar, ist noch nicht lange Mitglied in der Partei, aber mit viel Engagement und Begeisterung dabei und das merkt man ihm an. Erfrischend, wie er seine Partei, die nicht jedem vertraut ist, der Runde sehr lebhaft vorstellt:   VOLT als eine wirklich gesamteuropäische Partei mit gesamteuropäischer Perspektive; persönlich findet S. Dziajlo die Idee des Best Practice Ansatz überzeugend, gute Lösungsansätze aus ganz Europa als Blaupause auch für die Politik in Berlin zu begreifen bzw. zu übernehmen anstatt das Rad immer wieder neu zu erfinden. Beispiele hierfür sind z.B. Günstiges Wohnen in Wien, Radfahren in Kopenhagen, Bildung in Finnland oder Digitalisierung in Estland. Im Europaparlament gehört VOLT der Grünen Fraktion an, hat eine ökologische und pragmatische, keine ideologische Ausrichtung.

In der Schlussrunde freut sich S. Dziajlo über die lebhafte Diskussion und die angenehme Atmosphäre am Abend, die für ihn die erste Veranstaltung dieser Art war. Für ihn persönlich spielen Bürgerbeteiligung und Engagement eine große Rolle, deshalb war es durchaus interessant für ihn, so viel politisches Engagement zu erleben und so viele verschiedene Blickwinkel zu hören. Auch wenn es mit dem Bundestag nicht klappt, wird er sich weiterhin aktiv politisch engagieren und hat als nächstes die Kommunalwahl im Blick. Dann wird er auch gerne wieder zu uns nach Katzwang kommen. 

 

Thomas Estrada / Freie Wähler                                                                     

Thomas Estrada ist gelernter Polizist und arbeitet aktuell in der Extremismusprävention der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) mit Schwerpunkt bei Schulprävention und Jugendarbeit. Bei den FW wirkt er als Kreisvorsitzender der Freien Wähler Nürnberg und stellvertretender Vorsitzender im Bezirksvorstand der FW-Mittelfranken mit. Durch seine Expertise in den Bereichen Extremismus und Innere Sicherheit ist er in verschiedenen parteiinternen Fachausschüssen und Arbeitskreisen aktiv und wirkte am Parteiprogramm für die Bundestagswahl mit.

Dem Bürger- und Geschichtsverein Reichelsdorfer Keller ist Th. Estrada gut bekannt. Er unterstützte das Bürgerbegehren gegen die Versiegelung, das wir angestoßen hatten, engagiert. Lebensqualität liegt ihm am Herzen: insbes. Sicherheit und Ordnung, der Schutz von Natur und kulturellem Erbe sowie eine Stadtentwicklung, die Bürger aktiv einbindet, vorhandene Flächen intelligent nutzt und nicht dem einseitigen Mantra „Bauen, bauen, bauen“ folgt. Ein weiteres Anliegen Estradas ist die Stärkung des Ehrenamts sowie eine größere Bürgerbeteiligung – auch auf Bundesebene. Zudem setzt er sich für die Einführung eines attraktiven Gesellschaftsjahres für alle (z. B. im THW, bei Hilfsorganisationen oder in der Altenpflege) ein. Zur Ankurbelung der Wirtschaft fordert er eine schrittweise Unternehmenssteuerreform.

In der abschließenden Diskussionsrunde hebt Thomas Estrada die angenehme Atmosphäre des Abends hervor. Gleichzeitig fiel ihm die anhaltende Enttäuschung vieler Bürger über das politische Vorgehen am Reichelsdorfer Keller auf.

 

Michael Frieser / CSU                                                                                          

Michael Frieser, Rechtsanwalt und schon viele Jahre in der Politik, bis 2009 für die CSU im Stadtrat Nürnberg, seit 2009 direkt gewählter Bundestagsabgeordneter für Nürnberg-Süd, dort im Ausschuss für Kultur und Medien, seit 2018 Bezirksvorsitzender der CSU Nürnberg-Fürth-Schwabach. Am 23. Februar kandidiert er erneut für das Bundestags-Direktmandat im Nürnberger Süden.

  1. Frieser nutzte die Gelegenheit, zuzuhören und sich über die spezifischen Anliegen vor Ort zu informieren. Er kennt den Reichelsdorfer Keller gut und hat sich ausführlich nach den Entwicklungen rund um die Radrennbahn erkundigt, wie die Bürger einbezogen waren und wie es zum Abriss kommen konnte. Aus erster Hand hörte er, wie groß das Unverständnis und die Enttäuschung vor Ort über die Entscheidung der Stadt Nürnberg auch heute noch immer ist. Auch wenn die Rennbahn für die Stadt (immerhin ehemalige Fahrradhochburg) und ihre Industrie- und Sozialgeschichte eine wesentliche Rolle spielt, handelt es sich beim Abriss für die Stadt wohl offensichtlich nur um den Verlust eines kleinen Mosaiksteinchens. Der Reichelsdorfer Keller hat jedoch seine gesamte Identität sowie die komplette gastronomische, kulturelle und sportliche Infrastruktur verloren – da sind Enttäuschung und Frustration vor Ort nachvollziehbar. Dass M. Frieser sich – trotz einer am Abend bereits zugesagten Veranstaltung des Verbands Deutscher Konzertchöre, dessen Landesverband Bayern er im Vorstand vertritt – die Zeit für uns genommen und offen ist für eine Fortsetzung des Gesprächs in anderem Rahmen, hat uns sehr gefreut.

 

Th. Grämmer / SPD                                                                                             

Thomas Grämmer kennt soziales Engagement aus seiner Familie von Kindesbeinen an. Als evangelischer Diakon, heute Mitglied der Geschäfts- und Unternehmensleitung bei einem der großen diakonischen Träger Bayerns, hat er soziale und Gesundheits-Themen zu seinem Beruf gemacht.  Motivation für sein politisches Engagement ist, sich einzubringen und Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen. Beim SPD-Unterbezirk Schwabach ist er stellvertretender Vorsitzender. Im Bundestag würde er gerne dafür sorgen, dass die Sozialwirtschaft die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient. Er steht für eine Politik von Maß und Mitte, die den Menschen stets im Blick hat. Zukünftig wird es besonders wichtig sein, die Zukunftsthemen zusammenzudenken: Klimaschutz und Wirtschaft, ein starker Sozialstaat und sichere Arbeitsplätze, sowie Investitionen in Infrastruktur und Sicherheit.

In der Schlussrunde betont Th. Grämmer insbes. über die Breite der angesprochenen Themenfelder – darunter Vermögenssteuer, Pflege, Rente, Bürgergeld, Entwicklungshilfe – und viel Offenheit bei den Bürgern.  Ihm wäre klar geworden, wieviel Vertrauen hier verloren gegangen ist und dass ihn das nochmal mehr motivieren würde, es anders zu machen. Er ist überzeugt, dass ein fairer und vertrauensvoller Umgang mit den Bürgern möglich und auch zielführend ist. Wichtig ist ihm eine ehrliche Bürgerbeteiligung, z.B. durch die Einrichtung von Bürgerräten und Bürgerentscheiden auf Bundesebene. Auch wenn es mit dem Bundestagsmandat nichts werden sollte, will Th. Grämmer weiterhin für die Menschen da sein, zuhören und ihre Sorgen ernst nehmen, Probleme verstehen und Lösungen entwickeln.

 

Das waren einige Eindrücke vom Polit-Talk des Bürger- und Geschichtsvereins zur Bundestagswahl 2025, der am 13. Februar zu Gast war im „Olympiagarten“ in Neukatzwang, nachdem am Reichelsdorfer Keller derzeit eine passende Lokalität fehlt.  Die Kandidaten haben uns Einblick in ihre jeweilige Motivation für ihr politisches Engagement gegeben und  die Ziele und Schwerpunkte ihrer Arbeit erläutert. Durch ihre Offenheit für unsere Fragen und ihr Interesse für unsere Anliegen haben sie zu einem interessanten und – ich glaube, das sagen zu dürfen – für alle bereichernden Abend beigetragen.  Die Kandidaten gehen mit unterschiedlichen Chancen in die Wahl, werden aber sicherlich ihre Ziele in Nürnberg/Schwabach oder München weiterhin verfolgen, auch wenn es mit Berlin nicht klappen sollte. Wir wünschen allen viel Erfolg und alles Gute!

 

Autor Dorith Müller)

 

Bild: privat; v.l.n.re:  Th. Grämmer/SPD, D. Müller, S. Dziajlo/VOLT, Th. Estrada/FW .

Nicht auf dem Bild: M. Frieser/CSU