Die Radrennbahn – europaweit einzigartig, aber Zukunft ungewiss?

Spätestens seit Vorliegen der Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Denkmalschutz (BLfD) Mitte des letzten Jahres ist klar, was schon viele Jahre vermutet werden konnte: Die Radrennbahn am Reichelsdorfer Keller ist ein Denkmal. Dennoch werden aus der Stadt wiederholt Kommentare laut, die diese Einstufung der Fachbehörde in Zweifel ziehen. Die Stadt hält bisher an den Abrissplänen fest. Wie kam es zur Klassifizierung der Rennbahn als Denkmal? Nachdem unsere Anfragen bei der Stadt Nürnberg zum Status der Rennbahn als Denkmal bzw. als Kulturgut über Monate hinweg nicht zufriedenstellend beantwortet wurden, ließen wir dies über eine Petition beim Bayerischen Landtag klären. Die Bearbeitung der Petition liegt beim Ausschuss für Wissenschaft und Kunst, in dem auch S. Weigand, MdL und Denkmalschutzbeauftragte von Bündnis 90/die Grünen, Mitglied ist. Sie kennt die Bahn seit ihrer Jugend und konnte mit viel Sachkenntnis und guten Argumenten die Überprüfung durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) anstoßen. Das Ergebnis der Fachbehörde liegt inzwischen vor: Die Radrennbahn ist ein Denkmal.

Aus der Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege

Bei der Radrennbahn am Reichelsdorfer Keller (erbaut 1904) handelt es sich um die letzte erhaltene Zementbahn ihrer Zeit in Europa. Sie hat neben der sportgeschichtlichen insbesondere auch eine architektur- rad- und technikgeschichtliche Bedeutung. Für die Stadt – am Ende des 19. Jahrh. Fahrradhochburg und in den 1920er-Jahren Hochburg der deutschen Motorradproduktion – spielt die Rennbahn ohnehin eine große Rolle. Der Radsport war damals populärer als Fußball (das Clubstadion wurde erst in den 1920ger Jahren gebaut) und die Bahnrennen zogen an den Wochenenden regelmäßig mehr als 15.000 radsportbegeisterte Zuschauer an. Eine der Besonderheiten der Bahn liegt darin, dass sie bereits im Jahr ihrer Eröffnung nicht nur als Radrennbahn, sondern ausdrücklich auch als Motorradrennbahn genutzt wurde. Das war möglich durch die Kurvenüberhöhung von über sechs Metern, eine der steilsten Überhöhungen ihrer Zeit, die für Geschwindigkeiten bis zu 120 km/h geeignet sind. Die Konstruktion einer Kurvenüberhöhung von 47 Grad zur damaligen Zeit muss als Ingenieurs- und bautechnisch höchst anspruchsvoll eingeordnet werden.

Konsequenzen

Mit der Einstufung als Denkmal ändert sich die Situation für die Stadt und den Investor insofern, als diese Tatsache bei Erstellung und Bearbeitung des Bebauungsplans zu berücksichtigen ist. Ein Denkmal kann nicht „einfach so“ abgerissen werden; stattdessen ist für den Abriss eines Denkmals eine Genehmigung der zuständigen Fachbehörde – der unteren Denkmalschutzbehörde – erforderlich. Im aktuellen Fall wurde der Abriss im Stadtplanungsausschuss zur Abstimmung vorgelegt – u. E. und lt. Denkmalschutzgesetz nicht das dafür zuständige Gremium. Das lassen wir derzeit prüfen.

Das Konzept der Quartiersinitiative

Im Gegensatz zum derzeitigen Bebauungsplan Nr. 4654 der Stadt Nürnberg akzeptiert unser Konzept den Denkmalschutz-Status als Fakt und begreift ihn als Chance. Mit dem Erhalt der Rennbahn werden auch die sie umgebenden Bäume erhalten; dadurch wird die Entwicklung einer lebendigen Ortsmitte möglich: Wohnen und Kita werden kombiniert mit der lokalen Tradition (früher Parkcafé Rennbahn und „Tanzlokal Reichelsdorfer Keller“), Gastronomie und Kleinkunstbühne und knüpfen an die Geschichte Nürnbergs als ehemalige Fahrrad- und Motorradhochburg an. Die Nutzung als Trainings-, Sport- und Teststrecke, für Ausstellungsflächen zum Thema Zweirad, Werkstätten, Repair-Cafe, Angebote für Jugendliche… greift neben dem genuin Nürnberger Zweiradthema insbesondere aktuelle und relevante gesellschaftlichen Themen auf. So stellen wir uns die aktive Gestaltung einer lebenswerten Zukunft für Stadt und Gesellschaft vor!

Dr. Dorith Müller