Abbruch oder Aufbruch ? das ist hier die Frage!

Stadt und Investor versuchen derzeit offensichtlich, Fakten zu schaffen und den Eindruck zu erwecken, daß es jetzt ernst wird – und lassen schon mal einen Bagger auf dem Grundstück der Rennbahn in Position bringen. Er soll Aufmerksamkeit erregen. Möglich ist derzeit jedoch nur der Abbruch des Vereinsheims – dieses kann ohne Genehmigung abgerissen werden.
Für den Abriss der denkmalgeschützten Rennbahn ist eine spezielle Abrissgenehmigung erforderlich, die lt. Information des Planungs- und Baureferent der Stadt Nürnberg vom 30. Januar 2023 derzeit nicht vorliegt. Dennoch werden die Fragezeichen mehr, das Unverständnis wächst, die Kritik auch … Wie kommen die Entscheidungen der Stadt zustande? Seit Monaten ist es nun amtlich, dass es sich bei der Rennbahn um ein Denkmal handelt, deren Bedeutung weit über den Reichelsdorfer Keller hinausgeht, ein einzigartiges Zeugnis der Sportgeschichte, die älteste Sportstätte Nürnbergs sowie die älteste erhaltene Beton-Radrennbahn in Europa, deren steile Kurven zur Zeit ihrer Entstehung eine Meisterleistung der Ingenieurskunst darstellten. Und dennoch wird der Abriss der Bahn im Stadtplanungsausschuss mit großer Mehrheit unterstützt. Warum? Was sind die Gründe dafür? Auf welcher Basis wird entschieden? Fehlt in der Stadt das Bewusstsein für die kulturelle Bedeutung von Denkmälern? Kaum vorstellbar. Ist die Bedeutung der Bahn für die ehemalige Fahrradhochburg Nürnberg im Rathaus bekannt? Davon ist auszugehen. Warum greift der Denkmalschutz nicht? Welche Rolle spielt das Denkmalschutzgesetz heute überhaupt? Die Frage ist in diesem Jahr, in dem das Denkmalschutzgesetz in Bayern genau 50 Jahre alt wird, aktueller denn je. Das Zitat macht die Runde, daß Bayern mit dem damals innovativen Gesetz „in der Champions League spielte“, heute dagegen nur noch in der Regionalliga. Spielen wir in Nürnberg beim Denkmalschutz auch in der Regionalliga? Wer erinnert sich nicht an den Milchhof, die alte Post, die Ledererbrauerei – und viele andere Gebäude des letzten Jahrhunderts, die hier stiefmütterlich behandelt und inzwischen abgerissen sind. Wer ist für die Umsetzung verantwortlich? Ist es möglich, das Denkmalschutzgesetz zu ignorieren? Die Kulturreferentin Julia Lehner hat es noch vor wenigen Jahren sehr scharf kommentiert und als „Gesetzesbruch“ bezeichnet, als der Abriss des denkmalgeschützten Pellerhauses aus den 50ger Jahren im Raum stand. Wird hier mit zweierlei Maß gemessen? Fragen über Fragen …
Und einige dieser Fragen scheinen tatsächlich in München angekommen zu sein, so in der Chefetage des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege bei Generalkonservator M. Pfeil und auch auf dem Schreibtisch von M. Blume, dem für Denkmalschutz zuständigen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst. Bei einem Podiumsgespräch anlässlich „50 Jahre Denkmalschutzgesetz“ (2. Februar 2023, München, Veranstalter: Bayerischer Landesverein für Heimatpflege) räumten beide Herren ein, dass bei den Planungen für die Nutzung des Areals der Radrennbahn „nicht alles gut gelaufen“ sei. In der Folge war dann die Rede von einer „Kompromisslösung“. Wieder einmal dürfen wir gespannt sein, wie diese wohl aussehen wird.

…. oder doch Aufbruch?

Auch wenn der Denkmalstatus der Rennbahn für die Stadt im letzten Jahr unerwartet und überraschend gekommen sein mag – er kann auch als Chance begriffen werden. Noch ist es nicht zu spät. Eine klare Vorgabe für den Umgang mit Denkmälern im Sinne einer Nutzung für eine lebenswerte Zukunft gibt das Landesentwicklungsprogramm Bayern in seiner aktuellen Version. Dort heißt es „Die heimischen Bau- und Kulturdenkmäler sollen in ihrer historischen und regionalen Vielfalt geschützt und erhalten werden. Historische Innenstädte und Ortskerne sollen unter Wahrung ihrer denkmalwürdigen oder ortsbildprägenden Baukultur erhalten, erneuert und weiterentwickelt werden“. Erhalten und Weiterentwickeln – genau darum geht es hier: Erhalten der Rennbahn und des Baumbestands einerseits – und andererseits Erneuern und Weiterentwickeln des Areals zu einer lebendigen Ortsmitte, die die aktuellen Anforderungen der Gesellschaft umsetzt und gleichzeitig an die lokale Traditionen angeknüpft und diese neu interpretiert. Umsetzen lässt sich das z.B. durch die Kombination von Wohnen, Kita, Sport, Kultur, Gastronomie mit einer Kleinkunstbühne und Ausstellungsräumlichkeiten für Fahrräder und Motorräder an authentischem Ort. Eine aktive und attraktive Zukunft für den Reichelsdorfer Keller. Das sollte das Ziel sein. Deshalb bleiben wir dran.

Dr. Dorith Müller